UMTaufen des Hansaparks in Sefik-Karagüzel-Park

20.06.2017

Unterwegs im nördlichen Teil der Kölner Ringe …

Beim Flanieren entlang der Kölner Ringe fällt mir ein in rechtem Winkel an die alte Stadtmauer angebauter, orange gestrichener großer Schuppen ins Auge, gegenüber steht ein großes Zelt. Sieht insgesamt einladend aus, wirkt gemütlich bei etwas ungepflegtem Charme. Auf dem an der Pforte aufgehängten Schild lese ich die Aufschrift Handinhand e.V., beim Betreten des Vereinsgeländes begrüßt mich ein älterer Mann in gebrochenem Deutsch, er erklärt, der Verein kümmere sich um Integration und sei eine wichtige Anlaufstelle am Hansaring und Eigelstein für Menschen aus der ganzen Welt, die in ihrer Heimat schon nichts gehabt hätten, auch das aber zuhause zurück gelassen hätten und nun hier in Deutschland mit Nichts einen neuen Anfang suchten. Auf meine Frage, wer den Verein gegründet habe, erläutert er, Herr Sefik Karagüzel habe den Verein vor 15 Jahren für diese Menschen gegründet und kümmere sich seitdem um viele Neukölner. Er würde manchmal helfen, so er Zeit habe. Wenn ich Herrn Karagüzel sprechen möchte, solle ich doch anrufen unter der Nummer, die auf dem Plakat am Eingang steht. Ich bedanke mich für die Information und verspreche, bei Gelegenheit wieder zu kommen. Jeden Freitag ab 12 Uhr gebe es hier für alle eine große Reistafel, jeder sei willkommen, gibt er mir noch freundlich mit auf den Weg …

 

22.10.2017

Erneuter Besuch des Vereins Handinhand e.V. am Hansaring. Ich frage, ob zufällig Herr Karagüzel anwesend sei. Man schlägt vor, telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Herr Karagüzel sei ein viel beschäftigter Mann, nehme sich für jeden Zeit, allerdings gehe es ohne Terminvereinbarung leider nicht. Außerdem sei Herr Karagüzel gerade damit beschäftigt, den Verein Handinhand e.V. am Leben zu erhalten, da die Stadt Köln den Sitz des Vereins Handinhand e.V. hier an der alten Stadtmauer abreissen möchte. Ich danke und verspreche, ihn anzurufen.

 

04.11.2017

Anruf bei Herrn Karagüzel. Ich erläutere mein Anliegen, mit künstlerischen Aktionen auf Menschen und Personengruppen aufmerksam zu machen, die jenseits von Kommerz, Konsum und Verkehrs- und Amüsierbetrieb auf den Kölner Ringen für Lebensqualität sorgen. Dabei sei ich auf seinen Verein und seine Person aufmerksam geworden und würde diesbzgl. um ein Treffen bitten. Herr Karagüzel schlägt den 14.11.2017 gegen 13 Uhr vor. „Dann haben wir uns ein bisschen Zeit“, erklärt er. Treffpunkt ist das Vereinsgelände des Handinhand e.V. am Kölner Hansaring.

 

14.11.2017

Um 13 Uhr bin ich an der Stadtmauer am Hansaring, um Herrn Karagüzel zu treffen. Ein Mann kommt auf mich zu, er behauptet Herr Karagücel sei am Telefon, er bittet um Entschuldigung. Er verspäte sich um 15 Minuten. Ich verspreche zu warten und freue mich auf ein Treffen.

Wenig später nähert sich ein älterer Mann mit einem schwarzen Fez, der sich locker, unbeschwert und sympathisch mit den Grünflächenpflegern unterhält, die gerade die Grünflächen des Hansaparks vor dem Vereinsgelände mähen und die Bäume zurück schneiden. „Sie haben mich angerufen, sind Sie das?“ fragt er, als er durch die Pforte des Vereinsgeländes betritt. Er zeigt auf ein Eichhörnchen, das gerade den Baldachin über dem Eingangstor beklettert: „Schauen Sie mal!“ fordert er mich auf, das Naturschauspiel zu beachten. Ich begrüße Herrn Karagüzel freundlich, er schlägt vor, das wir uns zwei Stühle holen und draußen Platz nehmen. Er zeigt auf einen Drahtkorb, angebracht am Baum am Eingang: „Da legen wir manchmal Nüsse rein für das Einhörnchen.“ Wir schauen noch ein Weile dem Eichhörnchen zu, dann fragt Herr Karagüzel, warum ich ihn angerufen habe. Ich erläutere kurz das Anliegen der Stadt Köln, mit künstlerischen Aktionen die Kölner Ringe in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Das sei eine Gelegenheit, auf lokale wir überregionale Problemstellungen aufmerksam zu machen. Ein Problem wäre sicherlich die Angst vor (dem) Fremden und der Mangel an Möglichkeiten, sich zu begegnen, um dieser Angst zu begegnen und diese bestenfalls sogar zu besiegen. Da sei Herr Karagüzel mit seinem Verein Handinhand e.V. doch ein gutes Beispiel, wie man mit diesem Problem umgeht, noch dazu an prominenter Stelle an den Kölner Ringen.

„Wissen Sie, ich bin 1958 aus der Türkei nach München gekommen“, erläutert Herr Karagüzel, „wir haben in der Türkei damals keine Möglichkeit gehabt, von der Kälte geplatzte Motoren wieder zu schweißen. Man muss das machen, damit keine Flüssigkeit verloren geht. In München gab es jemanden, der konnte das. Also bin ich aus der Türkei gekommen, um mir das anzusehen. Ich wollte dann wieder zurück, um das Wissen in der Türkei zu verbreiten. Es kam aber anders. Ich ging abends in den Bayrischen Hof und wollte dort eine Dame zu Tanzen auffordern. Da war aber noch ein Herr, der dieselbe Dame ausgesucht hatte. Er bat mich, doch zu verzichten und steckte mir eine Visitenkarte zu. Ich ließ ihn gewähren, erzählte am nächsten Morgen in der Zigarettenpause von meinem gestrigen Abend und zeigte die Visitenkarte herum. Meine Kollegen staunten, den hast Du kennen gelernt. Geh zu ihm, er ist der Chef der Fordwerke, er kann etwas für Dich tun. Du hast ihm doch auch geholfen. So bin ich zu ihm. Zuerst wollte man mich nicht vorlassen, als ich am Empfang die Visitenkarte zeigte, was ich schnell in der obersten Etage und konnte mit ihm sprechen. Wir haben uns dann nochmal in Istanbul wieder getroffen, er hat mit dann ein Angebot gemacht, in Deutschland für ihn zu arbeiten. In Deutschland bin ich dann zu einem Flugzeugbauer geworden, nicht offiziell. Ich mache das nur für mich, ich bin immer am Rhein geflogen mit meinen eigenen Flug- oder besser Drachenmodellen. Dann haben die Leute versucht, mich davon abzuhalten. Manche haben die Polizei, oder das Ordnungsamt gerufen. Wir sind in Deutschland, wissen Sie? So bin ich jedenfalls in Kontakt mit den Behörden gekommen, habe diesen Verein hier gegründet. Man lässt mich zwar machen, aber aktuell haben wir das Problem, dass die Stadt gerne dieses Gebäude abreißen möchte, um hier teure Häuser zu bauen. Damit wäre unsere Tätigkeit hier leider beendet. Was sollen all die Leute machen, die ihr zuhause, wo sie nichts hatten, verlassen und hier bei nichts wieder anfangen. Wir bieten zumindest etwas: Essen und Beratung, alles ehrenamtlich.

„Was würden Sie davon halten, wenn der Hansaring für einen Monat in Sefik-Karagüzel-Ring umbenannt werden würde!“ frage ich vielleicht etwas zu direkt.

„Kann ich Sie denn daran hindern?“ fragt Herr Karagüzel ebenso direkt zurück.

„Nein, das ist selbstverständlich ganz allein meine Verantwortung. Ich würde allerdings nur ungern etwas gegen Ihren Willen tun“, gebe ich vor. „Es handelt sich ja hier um ein von der Stadt Köln gefördertes Kunstprojekt. Das ist insofern nicht ganz einfach, weil ich dann die Behörden um eine Genehmigung bitten muss. Die werden naturgemäß nicht erlauben, dass der um 1880 getaufte Hansaring ab jetzt mal Sefik-Karagüzel-Ring heißt. Aber möglicherweise landen wir am Ende dann bei einer anderen Form. Der Hansapark, der ja zum Hansaplatz gehört, könnte doch in Sefik-Karagüzel-Park umgetauft werden. Damit hätte man dann ein öffentliches Zeichen für ihre integrative Arbeit und die des Vereins gesetzt.“

„Wie gesagt, ich kann Sie ja nicht daran hindern. Können Sie mir vielleicht erklären, was Integration sein soll? Ich weiß das nämlich nicht.

„Ich fürchte, nein“, gebe ich zu.

„Sie können doch nicht erwarten, dass jemand, der gezwungenermaßen seine Heimat verlässt, hier alles hinter sich lässt und sich hier hier im Ganzen einer neuen Ordnung verschreibt. Wir können nur über die Begegnung der Kulturen eine Akzeptanz des anderen erwirken. Ich kann Sie so annehmen, wie Sie sind – und Sie können mich so annehmen, wie ich bin. Das ist alles.“

„Aber das ist doch schon was. Wenn wir das erreichen, brauchen wir keine Institutionen mehr, die Gebote und Verbote aufstellen. Damit wäre jeder bereit, sich dem anderen zu öffnen, egal welcher Kultur und welcher Konfession man angehört. Das wäre höchst individuell und würde gleichzeitig niemanden ausschließen. Das hört sich eher nach dem großen Sinn an, der hinter allem steht.“

„Das wird wohl noch ein bisschen dauern …“

„Ich stelle wohl vorher erstmal einen Antrag bei der Stadt Köln zur Umbenennung des Hansaringes in den Sefik-Karagüzel-Ring.“

„Ich kann Sie wohl nur schwer daran hindern!“ pflichtet Herr Karagüzel augenzwinkernd bei …

 

22.10.2017

Antrag beim Ordnungsamt der Stadt Köln zur Umbenennung des Hansaparks in Sefik-Karagüzel-Park am Freitag, dem 08.12.2017 um 12 Uhr. Bestellung  der goldenen Straßennamenschilder zu Ehren von Sefik-Karagüzel.

 

13.11.2017

Das Ordnungsamt teilt auf Nachfrage telefonisch mit, dass eine Genehmigung  eher für ein goldenes Schild erteilt werde, um Verwechselungen mit den „richtigen“ Straßennamenschildern zu vermeiden.

 

30.11.2017

Mail eines Mitarbeiters des Ordnungsamtes der Stadt Köln:

Sehr geehrter Herr Bölter,

leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre geplante Kunstaktion „UMTaufen des Hansaparks in Sefik-Karagüzel-Park“ ab dem 4.12.2017 nicht durchgeführt werden kann.

Ich möchte Ihnen meine Entscheidung gerne begründen.
Gegenüber Herrn Karagüzel musste vor Kurzem durch die Stadt Köln eine Ordnungsrechtliche Anordnung getroffen werden, zu deren Hintergründen ich Ihnen mit Blick auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz keine konkreteren Angaben machen darf.
Ich bitte Sie daher um Verständnis und ich denke es ist auch vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhaltes nachvollziehbar, dass eine ordnungsbehördliche Erlaubnis zur Ehrung von Herrn Karagüzel nicht erteilt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Stadt Köln – Die Oberbürgermeisterin
Amt für öffentliche Ordnung
Straßen- und Grünflächennutzung
Veranstaltungsservice Innenstadt
Ottmar-Pohl-Platz 1
51103 Köln

Telefon: 0221/221-…
Telefax: 0221/221-…
E-Mail: …
Internet: www.stadt-koeln.de

 

05.12.2017

Im Gespräch mit Herrn Karagüzel gebe ich die Information weiter, dass das Ordnungsamt der Stadt Köln den Antrag auf UMTaufen des Hansaparks in Sefik-Karagüzel-Park abgelehnt hat. Auf die Frage von Herrn Karagüzel nach der Begründung, schildere ich die Ergebnisse, die telefonische Gespräche mit dem Ordnungsamt wie dem Kulturamt ergeben haben. Es habe eines aller beteiligten Ämter ein Veto gegen diese Kunstaktion eingelegt. Herr Karagüzel erwähnt daraufhin, dass es aktuell eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter des Gebäudes, das als Vereinssitz genutzt wird, gebe – dem Gebäudewirtschaftsamt. „Ich kann das verstehen, ich möchte auch nicht, dass dort zusätzlich Unruhe entsteht“, so Herr Karagüzel. „Dann warten wir, was das Verfahren ergibt und verschieben die Aktion bis auf Weiteres. Aber noch etwas“, so Herr Karagüzel, „Wir haben doch über Ihren Freund aus Aserbaidschan gesprochen, als wir uns hier bei uns im Hansapark getroffen haben.“

„Ja, wir haben über Hassan S. gesprochen, er sucht einen Ausbildungsplatz in Deutschland „, gebe ich zurück.

„Ein befreundeter Architekt wird sich bei Ihnen melden, ich habe mir erlaubt, Ihre Telefonnummer weiter zu geben,“ ergänzt Herr Karagüzel.

Wir verabschieden uns und versprechen, in Kontakt zu bleiben …

2 Gedanken zu „UMTaufen des Hansaparks in Sefik-Karagüzel-Park“

  1. Die Grünanlage heißt Hansaplatz, nicht Hansapark.

    Es stimmt nicht, dass das ehemalige Gärtnereigebäude abgerissen werden soll, „um hier teure Häuser zu bauen“.

    Was soll mit dem Verweis auf eine ordnungsrechtliche Anordnung eigentlich suggeriert werden? Und ihr wisst schon, dass auf dem Vereinsgelände lange Werbung u.a. für WEFA gemacht wurde (http://www.hurseda.net/fotogoster.php?id=1723), die der Salafistenszene nahe stehen (https://www.ksta.de/koeln/–sote-dubioser-verein-laedt-150-fluechtlingskinder-ein-23023990)?

  2. Dass Herr Karagüzel zwar einen Verein für „integrative“ Arbeit gegründet hat, aber nach eigenem Bekunden nicht weiß, was Integration sein soll, mag daran liegen, dass der die Erdogansche Anti-Assimilierungsideologie predigt:

    https://dogruhaber.com.tr/mobil/Haber.php?id=223328#

    https://www.express.de/koeln/referendum-spaltet-koelner-tuerken—der-streit-mit-europa-hat-ja-lager-geholfen–26728464

    In Köln leben viele Menschen, die vor Erdogans Repression geflohen sind. Wie mag dieses Kunstprojekt wohl auf diese Menschen wirken?

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